Freitag, 13. März 2009

Die Frau des Chef's

Sie kennen ja die Gerüchteküche, je größer der Betrieb, desto mehr brodelt sie - nee, stimmt nicht ganz. Sie brodelt in den Betrieben am heftigsten, wo grade soviele Leute arbeiten, dass man alle noch kennt - man kann auch sagen, wo kein Betriebsfremder übern Hof gehen kann, ohne das jeder das mitkriegt. Unser Laden ist nicht ganz so groß, aber es brodelt gelegentlich ganz schön. Und da hab ich doch neulich abends bei einem gepflegten Bier und einem leckeren Essen in der gemütlichen "Kutscherstube" in der Poststraße - sie wissen schon, gleich neben dem ehemaligen Eisenwarenladen - von Detlef aus Buchhaltung erfahren, dass es mit der Ehe vom Chef nicht immer so wirklich gut steht. Das hat mich echt überrascht, weil der Chef noch nie ne Affäre gehabt zu haben scheint. Entweder sind die Frauen, die er verführt zweihundert Prozent verschwiegen oder wohnen auf dem Mond oder er ist seiner Frau wirklich treu. Und genau bei dem supertreuen Typen soll der Haussegen schief hängen? Das kann man ja kaum glauben. Detlef sagt, er habe das von einer Kollegin, die mit der Frau vom Chef befreundet ist. Die hat sich mal bei ihr ausgeheult, ungefähr so soll sie sich ausgedrückt haben:
Ihr Mann sei ja keiner der großen Bosse, die in der Tageschau zu sehen sind, aber trotzdem er ist bekannt und hat viele Freunde und Geschäftspartner. Und durch seinen Einsatz für den Sportverein gehören viele junge Menschen zu diesem Bekanntenkreis - natürlich auch attraktive junge Frauen. Darum geht sie inzwischen schon gar nicht mehr gerne mit zu irgendwelchen Veranstaltungen seines Vereins.
Eigentlich möchte sie gern mit ihm was unternehmen, mit ihm zusammen sein, Zeit mit ihm verbringen und in seine Welt eintauchen, sehen und erleben, was ihn in seiner täglichen Arbeit und in seinem Engagement für den Verein bewegt und mit welchen Problemen er zu kämpfen hat. Aber sie hat nun die Lust darauf verloren. Jedesmal wenn sie mit ihm bei Veranstaltungen der Firma oder des Vereins unterwegs war, fühlte sie sich irgendwie überflüssig. Begonnen hat alles so:
Als noch ganz frisch verheiratet waren fuhr sie mit ihrem Mann zu einem Vereinswochenende. Seine Freunde, auch einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren natürlich alle da und viel junges Volk natürlich auch. Sie kommen an und noch bevor sie den Koffer aus dem Auto geholt haben, ist er plötzlich weg mit der Bemerkung: "Liebling, da hinten steht Micha mit seiner Freundin, ich geh denen mal Hallo sagen." Und sie steht da und schaut sich unsicher um, fühlt sich verlassen und ist klein wenig sauer auf ihren Mann. Es dauert zwar nicht lange, bis er wieder da ist, aber sie hat sich abgestellt gefühlt wie ein Gepäckstück. Dann gehen sie rein, bekommen ihr Zimmer und ziehen ein. Zum Abendessen sitzen sie mit einigen Jugendlichen und einem Ehepaar am Tisch. Einer der junge Männer sagt zu ihr: "Du bist also die Frau Joachim" Sie nickt und lächelt: "Ja, ich bin Karin." Natürlich weiß sie, dass es ein Joke werden sollte mit der Frau Joachim und trotzdem kränkt es sie irgendwie. Er hätte ja wenigstens mal nach ihrem Namen fragen können. Sie fühlt sich wie ein Stück, das zu ihm gehört, wie seine Jacke oder sein Laptop, aber nicht wie die Frau an seiner Seite.
Der Abend war schön, es gab einen interessanten Vortrag und die Leute wurden vorgestellt. Es tat ihr gut neben ihrem Mann zu stehen und zu spüren, wie sehr die anderen ihn schätzen. Sie war stolz auf ihn und stolz zu ihm zu gehören. Das tat ihrer Seele richtig gut.
Der Abend ging auch gut weiter. Nach dem offiziellen Teil gingen sie, ihr Mann und einige andere zusammen noch in eine kleine gemütliche Kneipe. Auf dem Weg dorthin hatte sie sich bei ihm eingehakt und sie haben fast nur miteinander gesprochen. Er hat sich wirklich die Zeit genommen und ihr über den einen oder anderen aus der Clique, die zusammen losgezogen waren, ein paar Sachen erzählt: Was sie so machen und was sie im Verein darstellen, wer mit wem kann und wer mit wem nicht. Und dann in der Kneipe saßen alle an einem großen runden Tisch und es gab viel zu lachen. sie war bei all dem mittendrin und konnte auch selber sich am Gespräch beteiligen. Die lockere Umgangsweise liegt ihr und sie war ganz schnell von den anderen aufgenommen worden. So war es ein rundum schöne Abend bis diese Gruppe junger Leute reinkam, auch welche vom Verein. Sie grüßen sich und die Jugend setzt sich an den Tresen. Zehn Minuten später sagt Jaochim zu ihr: "Ich geh mal rüber zu den anderen." Ich sagte: Ja, mach nur, ich komme hier schon klar." Und das stimmte auch vollkommen in diesem Moment. Allerdings wurde ihre Stimmung nach 10 Minuten langsam schlechter, sie konnte dem Gespräch an ihrem Tisch kaum noch folgen, weil sie ständig zu ihm rüber sehen musste. Er plauderte völlig ungezwungen mit den jungen Leuten und das eine Mädchen himmelte ihn immer so an, aber war sie sicher, dass er das gar nicht bemerkt hat, er ist ja nun mal ein Mann. Je länger er da drüber blieb, umso weniger bekam sie von dem mit, was in ihrem Tisch passierte. Bald dachte sie nur noch drüber nach, was er so lange da drüben zu reden hat. Er ließ die Jugendfraktion erst allein, als an seinem ursprünglichen Tisch zum Aufbruch gerüstet wurde. Sie aber hatte sich schon lange wieder wie abgestellt gefühlt. Und siolche Situationen hat sie immer und immer wieder erlebt bis dann irgendwann einmal beschloss, dass sie sich sowas nicht mehr bieten lässt. Dann achtete sie künftig drauf, dass auf die Vereinswochenenden immer 'unglücklicherweise' eine Tupperparty oder die Geburtstagsfeier einer Freundin fiel. Manchmal war sie auch kurzfristig krank geworden.